Investieren: "Nur nicht zu viel von Trends beeinflussen lassen"
Broker-Experte Andreas Greiner gibt im Interview Tipps für Einsteiger
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Broker-Experte Andreas Greiner im Interview
Wer im deutschsprachigen Raum nach Online-Brokern sucht, landet irgendwann auf Andreas Greiners Webseiten. Der Entwickler betreibt mit Broker-Test in Österreich und Viele Broker in Deutschland zwei der umfangreichsten Vergleichsseiten. Sein YouTube-Kanal ist einer der wenigen in seiner Nische, der sachlich und ohne Clickbait und Sensationalismus informiert. Weil ich selbst immer wieder auf seine Inhalte verweise, wenn ich nach Brokern gefragt werde, habe ich ihm zum Interview gebeten und auch nach seiner persönlichen Anlagestrategie gefragt.
Was hat dich dazu bewogen, einen Vergleichswebsite für Online-Broker zu launchen?
Als Anleger war ich auf der Suche nach einem günstigen und passenden Wertpapierdepot für mich. Es gab Vergleiche, doch waren die alle für den deutschen Markt bestimmt. Ich kämpfte mich so alleine durch den Depot-Dschungel fin Österreich und hatte einen ungefähren Marktüberblick. Die Idee dazu eine Website zu machen schlummerte ein bis zwei Jahre in mir, doch keine Zeit für dieses Projekt.
Dann kam die Chance: Mein freiberufliches Engagement bei Runtastic ging 2014 zu Ende. Die frei gewordene Zeit investierte ich in den Aufbau von Broker-Test.at - und das Projekt wuchs und wuchs in den darauf kommenden Jahren.
Wie hat sich der Markt seither verändert? Der Markt hat sich von zwei Seiten verändert.
Mehr und mehr Österreicher*Innen interessieren sich für das Thema Investieren und nehmen es selbst in die Hand - das ist die Nachfrageseite. Die Angebotsseite, also das Brokerangebot, hat sich insofern verändert, dass viele Broker aus dem Ausland ihre Dienste auch hier in Österreich starteten. Die Einstiegshürden sind niedrig, der Onboarding-Prozess rasch und einfach. Das Wertpapier-Angebot reduziert und zugeschnitten auf die Endkunden. Alles sehr verlockend gestaltet - optisch als auch preislich.
Dazu hat sich für die Broker auch noch das Erlösmodell zum Teil verändert - die Broker bekommen (auch) von elektronischen Handelsplätzen Zuschüsse für die Abwicklung der Kundenorders. Bei klassischen Brokern bezahlt der Kunde in Form von Ordergebühren, Depotgebühren und anderen Gebühren die Dienstleistung - bei diesen neuen Angeboten, auch Neobroker genannt, ist das Erlösmodell teilweise sogar ausschließlich die Rückvergütung von Handelsplätzen oder von Emittenten von Wertpapieren.
Haben deine Reviews Auswirkungen auf die Anbieter, lesen die mit?
Offiziell liest niemand mit oder ich erfahre es nur selten direkt. Über Dritte erfahre ich mehr, das sind in der Regel Unmutsäußerungen. Unmutsäußerungen in Hinblick darauf, dass ich manches zu kritisch sehe oder den einen oder anderen Preis anders darstellen könnte. Das tu ich aber nicht, denn schlussendlich wollen wir Endkunden wissen, was uns das Produkt bzw. die Dienstleistung insgesamt kostet. Ich selbst halte gerne Distanz zu den Brokern und bin einfach nur Kunde, der Erfahrungen sammelt.
Was sind aus deiner Sicht wichtige Kriterien für die Auswahl eines Online-Brokers bei Kleinanlegern?
Das lässt sich zusammenfassen mit Vertrauen, Konditionen, steuereinfach und der liebe Support. Vertrauen zum Broker, Vertrauen zum Angebot. Es geht um Geldanlage und hier ist Vertrauen und Sicherheit für mich der wichtigste Punkt. Danach folgt das Thema kostengünstig - es muss gar nicht der billigste Broker sein in meinen Augen, sondern ein kostengünstiges Angebot. Für Anfänger*Innen oder jene die sich nicht gerne mit dem Steuerthema rumplagen und ärgern möchten: Steuereinfach - die Kapitalertragsteuer wird automatisch vom Broker ans Finanzamt abgeführt und alles für einen erledigt.
Speziell das Thema Support ist in meinen Augen wichtig. Spricht der Support österreichisch? Heißt, kennt sich der Support mit den Besonderheiten hier in Österreich aus - speziell wenn es um die liebe Steuer geht. Der Support mangelt bei dem einen oder anderen Broker und so bin ich oftmals der Ersatz-Support und kann daher die Sorgen ganz gut einschätzen.
Ich lese in deinen Kommentaren oft sehr konkrete Fragen. Mit welchen Herausforderungen kommen User zu dir, wo siehst du Informationsbedarf?
Neueinsteiger*Innen hatten früher die Ansprechperson für diese Fragen bei der Hausbank. Dadurch, dass sich viele die Hausbank nun sparen, verlagern sich diese Fragen entweder zum Broker oder eben ins Netz. Wer frisch einsteigt der hat Fragen, viele Fragen oftmals. Das hart verdiente Geld soll investiert werden, aber hier schwingt eben auch viel Unsicherheit mit, denn wer möchte schon gerne eine falsche Entscheidung treffen. Was kostet mir dieses Wertpapier? Muss ich für Ausschüttungen auch Gebühren bezahlen?
Ebenso sind Abrechnungen von Brokern oftmals voller Fragen und vor allem das liebe Thema Steuern kommt hier auf. Ist die Kapitalertragsteuer tatsächlich eine Abgeltungsteuer? Warum bezahle ich Quellensteuer? Was sind ausschüttungsgleiche Erträge? Alles Dinge, die erst über Erfahrungen auftauchen und erst hier die Fragen entstehen.
Was ist deine persönliche Investmentstrategie?
Die Faustregel 100 - Lebensalter = Aktienquote ist das, was sich für mich persönlich gut anfühlt. Diese Aktienquote fülle ich mit weltweit gestreuten Aktien-ETFs und dem ein oder anderen Einzelinvestment. Die Tendenz geht bei mir vom Einzelinvestment immer mehr Richtung ETF. Einzelinvestment bedeutet, sich mit dem Unternehmen, der Aktie auseinanderzusetzen. Das interessierte mich früher noch mehr, jetzt immer weniger. So wie es mache, passt es für mich und ist keine Blaupause für andere.
Es ist wichtig für Selbstentscheider*Innen, für sich selbst den passenden Zugang und Weg zu finden. Nur nicht zu viel von anderen und vor allem von Trends beeinflussen lassen. In der Ruhe und Langfristigkeit liegt die Kraft und der Erfolg.
Was hältst du von dem Trading-Trend der letzten Monate, angetrieben durch Robinhood und andere Apps?
Auf der einen Seite finde ich es natürlich schön, wenn der Zugang zum Wertpapiermarkt niederschwellig ist und für alle machbar. Eine rasche, unkomplizierte Eröffnung des Wertpapierdepots und kleine Ordergrößen sind hier möglich. Klingt gut und schön. Auf der anderen Seite sehe ich persönlich die Gefahr, dass zu schnell, mit zu viel Geld investiert wird. Die grandiose Entwicklung der Märkte in den letzten 10 Jahren ist keine Einbahnstraße und es wird auch wieder runter gehen. Und es kann sehr tief gehen.
Ich habe kurz nach dem Einstieg ins Berufsleben ebenso gleich investiert. Das war rund um das Jahr 2000 - was dann folgte ist bekannte Börsengeschichte. Es ist nicht schön, wenn das hart erarbeitete Geld Jahr für Jahr weniger wird, weil es in Wertpapiere geparkt ist. So waren meine Erfahrungen in den 00er Jahren und diese Zeiten werden wieder kommen. Das sollten wir uns alle bewusst sein und beim Investieren auch immer daran denken, dass es Rückschläge geben wird. Daher beim Investieren stets einen langfristigen Horizont haben über viele Jahre, nein Jahrzehnte!
Welche Innovation würdest du dir am deutschsprachigen Broker-Markt wünschen?
Gar nichts Großartiges. Vom Gesetzgeber: Ein einfacheres Steuersystem. Von den Brokern: Besseren Support für die Kunden und steuereinfache Broker mit einem guten Angebot für regelmäßiges Investieren über Sparpläne.
Wenn du heute noch mal deine Anlegerkarriere beginnen würdest, was würdest du anders machen?
Natürlich würde ich all die Fehler gerne vermeiden die ich gemacht habe, doch sie waren gut, wenn auch sehr schmerzhaft. Was bleibt ist Demut, zu wissen, nichts zu wissen und nicht gierig zu werden bzw. versuchen, nicht gierig zu werden. Hätte es Ende der 90er Jahre bereits ETFs und ETF-Sparpläne gegeben, so hätte ich hier Monat für Monat in einen global diversifizierten ETF investiert. Lesen, mehr lesen! Es gibt hervorragende Literatur wie “Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzfragen” von Hartmut Walz.
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Schönes Wochenende!
Lisa
Habe smartcasual leider erst heute entdeckt (und zurück zum Ursprung quer gelesen). Von Themenmix, ganz persönlichem "Henkel" zu den Stories - und auch den sehr, sehr ansprechenden visuellen Einsprengseln - bin ich sehr angetan :) Wünsche regen Zuspruch in der Community und werde der erfrischenden Lektüre sicher auch künftig frönen 😜