Warum die aktuellen Wirtschaftszahlen kein Grund zur Freude sind
Tiffany-Übernahme mit Rabatt, eine unruhige Börsenwoche und noch ein Podcast-Interview mit mir
Zahlen, die blenden
Der Lockdown in Deutschland und bald auch in Österreich bedeutet für viele Unternehmen wieder eine Herausforderung. Wer von euch ein Technologieunternehmen hat oder in dem Bereich arbeitet, ist wahrscheinlich eher auf der Sonnenseite. Denn wenn die Geschäftsentwicklung der Technologiekonzerne im dritten Quartal ein Indikator ist, so ist die Branche von der Pandemie wahrscheinlich am wenigsten betroffen. Amazon, Alphabet, Apple und Facebook meldeten durchwegs positive Zahlen für das dritte Quartal. Mehr als positiv hat sich auch die Wirtschaftsleistung in den USA entwickelt. Im dritten Quartal wuchs das BIP um 33,1 Prozent auf das gesamte Jahr betrachtet, quartalsweise betrachtet 7,4 Prozent – beides Rekordwerte. Trotzdem hat das BIP das Vor-Pandemie-Niveau noch nicht wieder erreicht.
Das mögen vielleicht gute Nachrichten sein, doch die aktuelle Entwicklung der Neuinfektionen sowohl in Europa als auch in den USA (gestern mit 90.000 ein neuer Rekord) werfen immer mehr die Frage auf, wie groß die langfristigen, gesamtwirtschaftlichen Folgen der Pandemie tatsächlich werden. In Deutschland soll das Vorkrisenniveau erst 2023 erreicht werden, besagt eine neue Studie. In Österreich rechnet das Institut für Höhere Studien damit, dass mit einem zweiten Lockdown bis Jahresende das BIP dieses Jahr um zehn Prozent fallen könnte.
Auch Frankreichs Wirtschaft erholte sich im dritten Quartal mit einem BIP-Plus von 18,2 Prozent, der neue Lockdown könnte diese Entwicklung allerdings wieder bremsen. Im Hinblick auf die Wirtschaftszahlen in den USA sagt Michelle Meyer von der Bank of America gegenüber der NYT:
The reason we had such a big bounce is that the economy went from closed to partially open. The easy growth was exhausted, and now the hard work has to be done in terms of fully healing.
Ich bin heute mal wirklich gern die Spaßbremse und sage, dass wir uns also nicht zu sehr über die aktuellen Zahlen freuen sollten.
Auf der Watchlist
Wer in der ersten Wochenhälfte die Verunsicherung an den Börsen in Europa und den USA genutzt hat, um bei einigen teuren Titeln (FAANG, SAP…) nachzukaufen, war klar im Vorteil. Der Donnerstag war wieder entspannter, doch für heute zeichnet sich schon wieder ein Abwärtstrend ab und US-wahlbedingt dürften die nächsten Handelstage weiterhin unruhig bleiben. Börsenexperte Jim Cramers Einschätzung dazu:
Das Highlight der kommenden Börsenwoche ist der Börsengang von Ant Group am 5. November. 34,4 Milliarden US-Dollar soll das Handelsdebüt in Hong Kong dem Finanzdienstleister einbringen, es ist damit der bisher größte Börsengang.
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Fürs Wochenende
Zum Hören: Wer mich nach meinem Auftritt bei Was mit Medien noch einmal hören will, kann das im neuen Podcast der APA tun: APA-Tech-Geschäftsführer Clemens Prerovsky, den ich als Leiter des APA Media Labs kennengelernt habe und für mich einer der wenigen unprätentiösen Manager der Tech- und Medienbranche ist, führt im Always On Podcast anregende Gespräche mit Branchenkollegen, eben wie meiner Wenigkeit.
Zum Lesen: Hat Mesut Özils Kritik an China dazu geführt, dass er von der Bildfläche verschwunden ist?
Zum Schauen: Netflix hat mit Holidate seinen ersten Weihnachtsfilm der Saison veröffentlicht und ja, ich werde ihn mir mit selbstgemachtem Pumpkin Spice Latte dieses Wochenende ansehen :)
Soundtrack fürs Wochenende, angesichts der aktuellen Wetter- und Wirtschaftslage:
Trotzdem schönes Wochenende!
Lisa